Das arktische Meereis und unser Wetter – Zufall oder Zusammenhang?

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Hoch-/Tiefdruckgebiete
Hoch Und Tiefdruckgebiete In Folge Der Rossby Wellen (Quelle: www.ews-schoenau.de/energiewende-magazin/zur-sache/jetstream-wenn-der-klimamotor-stottert)

“Sommer kommt wieder auf Touren”, “Hitze 2.0 rollt auf Deutschland zu” oder auch “Flut im Ahrtal – ein Jahr nach der Katastrophe”. Solche oder ähnliche Nachrichten finden sich in letzter Zeit immer öfter in den deutschen Medien. Die Zahl der extremen Wetterereignisse in Mitteleuropa nimmt drastisch zu und gleichzeitig nimmt das arktische Meereis ab. Die Meereisdicke hat in den letzten 40 Jahren um 65% abgenommen. Die Folgen dieses Wandels sind sehr vielfältig und betreffen die Flora, Fauna und die Menschen vor Ort, aber auch weltweit. Aber wie hängen jetzt das arktische Meereis und das Wetter bei uns zusammen? 

Da die Erde annähernd eine Kugel ist und diese leicht geneigt zur Sonne steht, ist die von der Sonne ankommende Strahlung ungleich verteilt. Während in den Tropen ein Überschuss an Strahlung vorhanden ist, gibt es am Nord- und Südpol ein Defizit an Strahlungsenergie. Dieser Strahlungsunterschied wiederum erzeugt sowohl einen Druck- also auch einen Temperaturunterschied, durch welche die Luft von den Tropen zu den Polen hinströmt. Einfach formuliert versucht die Erde damit die Temperaturdifferenz auszugleichen. 

Außerdem spielt noch die sogenannte Corioliskraft eine wichtige Rolle, aber was ist die Corioliskraft? 

Man stelle sich eine Kugel vor, die sich dreht so wie die Erde. Bedingt durch die Kugelform kommt es dazu, dass der Äquator mehr Strecke pro Zeit zurücklegen muss als die Arktis, da am Äquator die Erde am “breitesten” ist. Deshalb dreht sich die Erde dort schneller als in der Arktis. Dies nennt man “Rotationsgeschwindigkeit”. Durch diesen Unterschied werden Winde, welche vom Äquator zum Pol gehen nach rechts auf der Nordhalbkugel und nach links auf der Südhalbkugel abgelenkt. Dieses Phänomen nennt man Corioliskraft.  Auch die Luftströmung wird somit auf der Nordhalbkugel nach rechts abgelenkt, wodurch dieser sogenannte Jetstream dauerhaft von Westen nach Osten weht. 

Rossby-Wellen
Folgen Der Langsamen Rossby Wellen (Quelle: www.ews-schoenau.de/energiewende-magazin/zur-sache/jetstream-wenn-der-klimamotor-stottert)
 
Man kann sich diesen als dauerhaft vorhandenen Wind in der Höhe, wo sich unser Wetter abspielt (8-12km Höhe) vorstellen. Dieser Jetstream weht geographisch gesehen bei circa 40-60° nördlicher Breite, also genau bei uns (München liegt bei 48 Grad). Wichtig ist nun für die Stärke dieses Windes der Unterschied der Temperaturen zwischen Tropen und Arktis. Konkret bedeutet das, je größer der Temperaturunterschied, desto stärker ist dieser Wind und desto schneller ziehen Luftmassen und damit das Wetter über die mittleren Breiten. Dies ist vor allem im Winter der Fall, wenn in der Arktis dauerhafte Dunkelheit herrscht, denn dann ist der Temperaturunterschied größer, weil es in den Tropen kaum jahreszeitliche Schwankungen gibt. Im Sommer ist der Unterschied kleiner, wodurch Wettersysteme länger über unseren Gebieten beharren. Dadurch bilden sich sogenannte Rossby Wellen aus, durch welche sich der Ausgleich von Temperatur und Druck ausprägt. Diese kann man auf den Abbildungen 1 und 2 erkennen in Form der weißen, mäandrierenden Wellen. 
 
Was hat das jetzt mit dem Meereis in der Arktis zu tun? Das Meereis in der Arktis schmilzt aufgrund des globalen Temperaturanstiegs, welcher in der Arktis doppelt so schnell abläuft wie im Rest der Welt. Weniger Meereis sorgt für eine stärkere Erwärmung der Arktis, weil dunkle Oberflächen mehr Strahlung absorbieren als helle Oberflächen. Das ist ein Phänomen, welches man im Sommer zu spüren bekommt, wenn man ein schwarzes T-Shirt statt eines weißen anhat.
Durch eine wärmere Arktis sinkt der Unterschied zwischen Arktis und Tropen, wodurch sich der Jetstream abschwächt und verlangsamt. Dies führt zu trägeren, stärker mäandrierenden Rossby-Wellen, wodurch Wettersysteme länger über einem bestimmten Gebiet verharren, was bedeutet, dass sich das Wetter über eine längere Zeitperiode nicht ändert. Die Folge davon ist dann sehr monotones Wetter über eine längere Zeitperiode von teils mehreren Tagen oder Wochen. Die Folgen davon hat man bereits in den letzten Jahren in Deutschland zu spüren bekommen. Das Hochwasser im Ahrtal 2021 ist ein solches Beispiel oder auch Dürren und Trockenheit wie im Sommer 2018 als an den wichtigsten Binnenschifffahrtsflüssen, wie z.B. Rhein, Main oder Donau der Schiffsverkehr wegen Niedrigwasser eingestellt werden musste.  Die Folgen von einem längeren Aufenthalt von Wettersystemen sind aber nicht nur auf extreme Ereignisse beschränkt. Auch können wir mit dauerhaft heißeren Sommern und mehr Regen anstatt Schnee im Winter rechnen. 
 
Viele Menschen werden im Sommer unter Hitze und Dürren leiden müssen, insbesondere ältere und geschwächte Menschen. Aber auch die indirekten Folgen wie Wasserknappheit oder Dürren sind gravierend für uns, wie man bereits aktuell in Italien beobachten kann. 
Nun sollte aber niemand in Panik verfallen, denn die Themen der Anpassung und des Entgegenwirkens sind zurzeit immer wichtiger und auch die Politik leitet wichtige Maßnahmen ein, um die Bevölkerung und Industrie zu schützen. Trotzdem ist die Aufgabe noch sehr groß und wir müssen nun anfangen diese anzugehen. 
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das schmelzende Meereis sehr wohl Folgen für das Wetter in unseren Breiten hat. Die Hoch- und Tiefdruckgebiete halten sich durch trägere Rossby Wellen länger über einem Gebiet auf, wodurch sich das Wetter nicht so schnell ändert. Deshalb haben wir mit längeren Regenfällen und wärmeren, heißeren und dauerhaft trockenen Zeiten zu rechnen. Das Wetter bleibt länger und dauerhafter gleich oder ähnlich und das alles ausgelöst durch ein Schmelzen des Meereises teils 3000 km von hier weg.
 

Quellen

Primärquellen:
• Cohen, J., Screen, J., Furtado, J., Barlow, M., Whittleston, D., Coumou, D., Francis, J., Dethloff, K., Sentekhabi, D., Overland, J. und Jones, J. (2014): Recent Arctic amplification and extreme mid-latitude weather. Nature Geoscience 7, 627-637.
• Francis, J. und Vavrus, S. (2012): Evidence linking Arctic amplification to extreme weather in mid-latitudes.
• Wadhams, P. (2017): A Farewell To Ice. London, 215-227.
Webquellen:
• 38-Grad-Superschmelze in der Arktis: Polarfront- Jet löst rätselhaftes Klimaphänomen aus. URL: https://www.focus.de/wissen/klima/38-grad-superschmelze-in-der-arktis-polarfront-jet-loest-raetselhaftes-klimaphaenomen-aus_id_12251429.html (Stand: 25.06.2022).
• Corioliskraft. URL: https://www.dwd.de/DE/service/lexikon/begriffe/C/Corioliskraft.html (Stand: 04.07.2022).
• Die Polargebiete als Teil des globalen Klimasystems. URL: https://worldoceanreview.com/de/wor-6/die-polargebiete-als-teil-des-globalen-klimasystems/warum-es-in-den-polarregionen-so-kalt-wird (Stand: 04.07.2022).
• Gründe für Hitze und Trockenheit - Sommer 2018. URL: https://www.wetteronline.de/wetter-videos/2018-08-27-vl (Stand: 04.07.2022).
• Hochwasser 2021 - Eine Analyse - Wetter oder Klimawandel. URL: https://www.wetteronline.de/wetternews/wetter-oder-klimawandel-hochwasser-2021-eine-analyse-2021-07-22-vl (Stand: 04.07.2022).
• Jetstream- Was Starkwinde mit dem Klimawandel zu tun haben. URL: https://utopia.de/ratgeber/jetstream-was-starkwinde-mit-dem-klimawandel-zu-tun-haben (Stand: 25.06.2022).
• Tageszeitenklima. URL: https://www.wetter.net/wetterlexikon/eintrag/tageszeitenklima (Stand: 04.07.2022).
Abbildungen:
• Jetstream: Wenn der Klimamotor stottert. URL: http://www.ews-schoenau.de/energiewende-magazin/zur-sache/jetstream-wenn-der-klimamotor-stottert (Stand: 04.07.2022).

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