Deutschland gilt heutzutage als eines der beliebtesten Einwanderungsländer weltweit. Hinzu kommen viele geflüchtete Menschen, die bei uns in Deutschland Schutz suchen. Deshalb ist es in der Stadtplanung wichtig, sowohl für Migranten aber auch für Einheimische Raum für Integration und Toleranz zu schaffen.
Doch welche Rolle spielt der Straßenfußball dabei? Was genau hat Straßenfußball mit Stadtplanung zu tun?
Als ich vor einigen Jahren in meiner Freizeit regelmäßig auf dem Bolzplatz bei mir um die Ecke gekickt habe, konnte ich noch nicht ahnen, dass ich dort mal den Grundstein dafür legen würde, einen Beitrag zur nachhaltigen Stadtteilentwicklung zu leisten.
Als ich dort eines Tages zufällig auf eine Gruppe von Kindern im Alter von 11-13 Jahren traf, hätte ich niemals gedacht, jene Gruppe noch im selben Sommer auf dem Corso Leopold auf ein Turnier vorzubereiten und als eingeschworene Truppe aufs Spielfeld zu schicken. Es waren Kinder aus einem sozialen Brennpunkt. Zu unterschiedlich schienen zunächst unsere kulturellen Hintergründe und Wertvorstellungen von Respekt und Toleranz zu sein. Zu unterschiedlich wohl das Milieu, in der diese Kinder im Vergleich zu mir aufwuchsen. Keine gute Aussicht für die Zukunft, kaum Perspektive – dachte ich zumindest. Bis dann der Ball rollte.
Plötzlich herrschte innerhalb der Gruppe Zusammenhalt. Alle liefen füreinander. Machte einer einen Fehler, bügelte ein anderer diesen aus, anstatt zu schimpfen. Bei Gegentoren bauten sie sich lieber gegenseitig auf, als aneinander niederzumachen. Ein ganz anderes Bild wie vorher. Anstatt sich wie zuvor noch gegenseitig zu beleidigen, zeigten sie sich auf einmal wie eine Einheit. Und das alles nur, weil der Ball rollte.
Imponiert von dem positiven Spirit der dabei aufkam, der mich an meine eigene Kindheit erinnerte, reifte in mir der Gedanke, diese Kinder als Streetworker bei buntkicktgut zu betreuen, weil ich ahnte, wie sehr diese Kinder davon profitieren könnten.
Buntkicktgut – die interkulturelle Straßenfußballliga Münchens. Eine Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen in die Gesellschaft zu integrieren. Dabei werden über den Fußball Werte wie Respekt, Fairness und Toleranz vermittelt, denn Fußball verbindet. Der Sport lehrt Kindern in jungen Jahren mit seiner gesamten Bandbreite an Emotionen den Umgang mit Siegen, Niederlagen, Enttäuschungen und gegenseitigem Respekt.
Als Streetworker bei buntkickgut betreut man ehrenamtlich eine Gruppe von Kindern und tritt gemeinsam bei regelmäßigen Wettbewerben im Ligabetrieb gegen andere Teams an, die ebenfalls von einem Streetworker betreut werden. Als Betreuer ist man für die Kinder sowohl als Fußballtrainer aber auch als Erzieher gefragt – eine Bezugsperson eben.
Sofort konnte ich mir diese Rolle gut vorstellen. Als ich den Kindern von meiner Idee erzählte, waren sie direkt davon begeistert und wir meldeten uns für die Sommerliga an.
Einige Wochen und Spieltage später, in denen wir als Gruppe mehr und mehr zusammenwuchsen, traten wir in einem Turnier auf dem Corso Leopold an. Ein Straßenfest auf der gesamten Leopoldstraße, wo Menschen aus unterschiedlichsten Gesellschafts- und Einkommensschichten zusammenkommen. Angetan von der Leistung und dem Zusammenhalt meiner Spieler auf dem Platz, merkte ich, wie ein älterer Straßenmusiker mit seiner Geige, den Kindern beim Spielen fasziniert zusah. Anschließend ging er nach dem Spiel auf meine Spieler zu, um ihnen für den tollen Auftritt zu gratulieren. Damals, als ich die Kinder erstmals auf dem Bolzplatz traf, war es noch unvorstellbar, dass sie in absehbarer Zeit solch ein respektvolles Gespräch auf Augenhöhe mit solch einem älteren Herrn haben würden, der offensichtlich aus einer ganz anderen Gesellschaftsschicht stammt als die Kinder aus dem sozialen Brennpunkt. Ich war Zeuge eines erfolgreichen Integrationsprozesses.
Aus der Perspektive eines Geographiestudenten kann ich inzwischen behaupten, dass die Umgestaltung der Leopoldstraße in ein Straßenfest – und damit die Umgestaltung des öffentlichen Raumes – mit ausschlaggebend für die Integration war, da sie die nötigen Rahmenbedingen dafür schuf. Ohne das Straßenfest wäre eine solche Begegnung wohl kaum zustande gekommen.
Wie wichtig es ist, öffentlichen Raum für Integration und Toleranz zu schaffen, zeigt zudem das Kulturzentrum Bellevue di Monaco im Glockenbachviertel, auf dessen Dach an der Müllerstr. 6 der erste Dachsportplatz Münchens errichtet wurde. Ohne buntkicktgut als Teil der Genossenschaft Bellevue di Monaco eG und dessen unermüdlichen sozialen Engagements in den vergangenen Jahren wäre die Errichtung des ersten Bolzplatzes auf den Dächern Münchens wohl nicht zustande gekommen. Zumal die Nutzung des Dachsportplatzes seit seiner Eröffnung im Oktober 2020 von buntkicktgut verwaltet und organisiert wird.
Der öffentliche Raum ist für die Jugendarbeit auch deshalb so wichtig, da gerade für die Kinder, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen, der Bolzplatz in der Regel ein zweites Zuhause ist. Quasi ein sozialer Aufenthaltsort, an dem sie ihre Persönlichkeiten entfalten und sich zudem mit dem Stadtteil identifizieren können.
Die Umgestaltung des öffentlichen Raumes zugunsten von Integration, Toleranz und Vielfalt ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die Stadt München nachhaltiger, attraktiver und lebenswerter zu gestalten!