Kristallklares, türkis getöntes Wasser, umgeben von einem dichten grünen Wald und umrahmt von den höchsten Bergen Deutschlands – dem Zugspitzmassiv. Es erhebt wie eine Festung um den paradiesischen Eibsee. Das „Naturidyll zum Erholen und Aktivsein“ (P. u. M. Rieppel (Hrsg.) (o.J.): Erlebnis Eibsee) in Grainau gehört zu einen der schönsten Seen der bayerischen Alpen und zählt bayernweit zu den beliebtesten Instagram-Spots, wie viele Reiseratgeber im Internet betonen. In den letzten fünf Jahren ist der Eibsee aufgrund einer plötzlich erhöhten Aufmerksamkeit in den sozialen Medien zum Touristenmagnet geworden. Auf der Plattform Instagram fällt auf, dass der Hashtag Grainau (#grainau) bei 61.900 Beiträgen verwendet wurde, wohingegen der Hashtag Eibsee (#eibsee) mehr als viermal so häufig verwendet wurde, nämlich 275.000-mal (Stand 11.07.2022). Nachdem von Jahr zu Jahr zehntausende Fotos auf Instagram publiziert wurden und aufgrund der „Instagramability“ immer mehr Touristen:innen dorthin wollten, kam der Eibsee an seine Kapazitätsgrenzen, so dass die Zufahrtsstraße im Sommer ab der Mittagszeit gesperrt werden musste.
Diese Ereignisse sind lange keine Seltenheit mehr. Obwohl es von Januar bis August 2020 weltweit zu einem Einbruch der internationalen Tourismuseinkünfte um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gekommen ist, konnte in der Zugspitz-Region im Sommer 2020 ein deutlicher Anstieg verzeichnet werden. Wenn zu viele Touristen eine Destination überrennen, kommt es zweitweise zu einer Übervölkerung, dem sog. „Übertourismus“ oder „Overtourismus“, welches die damit verbundenen ökologischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Probleme des Massentourismus mit sich bringt. Der Massentourismus ist ein Effekt der freiheitlichen Gesellschaftsordnung in Europa. Dazu gehört die Reisefreiheit und das ist grundsätzlich auch gut so. Jeder will und darf dorthin, wo es vermeintlich schön ist. Die Konsequenz ist dann aber das massenhafte Reisen. In der Folge sind nicht nur die Einwohner, sondern auch die Touristen selbst Leidtragende der Attraktivität eines Ortes“ (Kirstges: Tourismus in der Kritik, S. 111). Auch der boomende Tourismus der Tagestouristen belastet die Destination Eibsee im Luftkurort Grainau.
Zu den negativen direkten Effekten zählen:
1. Überlastete Infrastruktur
2. Belastung der Umwelt
3. Lärm und Störung durch das Verhalten der Touristen
An Spitzentagen halten sich zwischen 7.000 und 8.000 Menschen am See auf, das ist mehr als die doppelte Einwohnerzahl der Destination Grainau. Diese Massen führen zu einem übermäßigen Verkehrsaufkommen an der Zufahrtsstraße, was besonders die Anwohner stark belastet. Aufgrund des Autoverkehrs wurde allein 2020 die Eibsee-Straße 32-mal gesperrt. Grund war, dass alle Parkplätze voll besetzt waren und sogar die Rettungswege zugeparkt wurden, sodass sie für Krankenwägen und Feuerwehr nicht mehr benutzbar waren. Die Sperrung der Straße wurde vom Rathaus daher unter dem Aspekt gerechtfertigt, dass die öffentliche Sicherheit nicht länger gewährleistet werden kann.
Auch der Umgang mit der Natur gilt als eine große Herausforderung an der Situation am Eibsee. Sobald alle Parkmöglichkeiten voll ausgeschöpft sind, weichen die Tagestouristen auf die Wildwiesen neben der Zufahrtsstraße aus. Dadurch werden diese beschädigt und nicht selten bringen sich die „Wildparker“ durch ihr Parkverhalten selbst in Gefahr (Interview Anja Eder, Leiterin der Tourist-Information). Mit dem erhöhten Verkehrsaufkommen, dem Lärmpegel in den Straßen und den zusätzlichen Abgasen werden die Bewohner Grainaus noch mit weiteren Problemen konfrontiert, die mit dem Verhalten der Touristen einhergehen. Hierzu zählen die Hinterlassenschaften der Touristen:innen wie Müll oder Körperausscheidungen am Eibsee, aber auch direkt vor Ort in Grainau.
Aufgrund des massiven Verkehrsaufkommens und der Müllproblematik kam es im Sommer 2020 zu einer Demonstration in Grainau, die sich laut der Organisation Critical Mass Garmisch-Partenkirchen nicht gegen die Urlauber, sondern gegen den Kontrollverlust in Bezug auf den Eibsee-Tourismus richtete. Dieser sollte aber nicht nur durch Sperrungen gebremst werden, sondern durch eine vermehrte Nutzung des ÖPNVs oder der Rad- und Wanderwege gelöst werden. Weiterhin soll die Natur am Eibsee mit Hilfe der Aktion „Sauber bleim“, die 2021 ins Leben gerufen wurde, vor zu viel Müll geschützt werden. Dabei wird an jeden appelliert, hinterbliebenen Müll in sogenannte „Müllsackerl“ zu sammeln und mitzunehmen. Dieses Umweltbewusstsein ist erforderlich und nur wer auch die Schattenseiten des Overtourismus wahrnimmt, kann sich für einen nachhaltigeren Tourismus einsetzen – sei es als Tourismusverantwortliche:r oder als einzelne Tagestourist:in.
Quellen
• Anja Eder, Leiterin der Tourist-Information, 2020. Experteninterview. In Rothfuß Eva, Auswirkungen von Instagram auf den Tourismus und der richtige Umgang mit Instagram-Touristen für bayerische Destinationen am Beispiel Grainau.
• Bayerisches Landesamt für Statistik: Tourismus in Bayern, 2020.
• Gapa-Tourismus, 2020: Die Aktion gegen Müll. Sauber bleim. Weil jeder etwas tun kann. URL: https://www.gapa-tourismus.de/saubableim (Stand 18.07.2022).
• Kagermeier, Andreas: Overtourism. München, 2021
• Kagermeier, Andreas: Tourismus in Wirtschaft, Gesellschaft, Raum und Umwelt. München, 2021
• Kirstges, Torsten: Tourismus in der Kritik. Klimaschädigender Overtourism staat sauberer Industrie? München, 2020.
• P. u. M. Rieppel (Hrsg.) (o.J.): Erlebnis Eibsee. URL: https://www.eibsee.de/de/der-eibsee/ (Stand 18.07.2022).
• UNWTO 2020: Internationaler Tourismus und Covid-19. URL: https://www.unwto.org/tourism-data/international-tourism-and-covid-19 (Stand 18.07.2022).
• Willeke (Hrsg.) 2020: Die zehn schönsten Seen in Süddeutschland. URL: https://phototravellers.de/sueddeutschland-schoenste-seen/ (Stand 18.07.2022).