Derzeit wird in weiten Teilen der Öffentlichkeit eine Debatte über die Zukunft der Tierhaltung und des Fleischkonsums geführt. Das hat auch gute Gründe. Denn die Debatte ums Fleisch betrifft den Großteil von uns: Im Jahr 2021 ernährten sich in Deutschland nur etwa fünf bis sechs Prozent der Menschen vegetarisch und nur ein bis zwei Prozent ernährten sich vegan. Zudem werden Fragen zum Umwelt- und Klimaschutz, die Auswirkungen des Fleischkonsums auf die eigene Gesundheit sowie ethische Fragen zum Tierwohl derzeit immer relevanter: Sollte man in Anbetracht des Klimawandels überhaupt noch Fleisch essen? Welche gesundheitlichen Risiken sind mit einem übermäßigem Fleischkonsum verbunden? Und kann die Fleischproduktion mit dem Tierwohl überhaupt in Einklang gebracht werden? Fleisch ist Kulturgut: Fleisch zu essen hat in allen Kulturen eine zentrale gesellschaftliche Rolle. Einerseits als Proteinquelle, andererseits als symbolträchtiges Prestige- und Statusobjekt. Wer über ausreichend Geld verfügt, kann es sich leisten oft Fleisch zu essen.
Der weltweite Fleischkonsum hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt und lag im Jahr 2018 bei 320 Millionen Tonnen. Bis 2028 wird der Fleischkonsum noch mal um 13 Prozent wachsen, einerseits durch eine stetig wachsende Weltbevölkerung und andererseits durch ein steigendes Einkommensniveau. Dies ist vor allem in den Industrienationen festzustellen, in welchen der Fleischkonsum konstant auf einem hohen Niveau liegt. Dieser Trend lässt sich am jährlichen Fleischkonsum pro Person darstellen: Während im Jahr 2019 in Deutschland rund 60 Kilogramm pro Person gegessen wurden, waren es in den USA und Australien mehr als 100 Kilogramm. Interessanterweise sinkt jedoch die Nachfrage nach Fleisch in Industrieländern leicht, da Bedenken bezüglich Umwelt, Gesundheit und Tierwohl zunehmen. Die leicht sinkende Nachfrage gilt allerdings nur für die Industrienationen. Das größte Wachstum des Fleischkonsums wird nämlich in den Ländern des Südens stattfinden. Die Nachfrage könnte dort bis 2028 vier Mal so hoch sein als die in den Industrieländern.
Insgesamt betrachtet also schlechte Aussichten für die Zukunft. Vor allem wenn man bedenkt, dass auch schon der aktuelle Fleischkonsum negative Auswirkungen auf unsere Umwelt und das Klima mit sich bringt.
Da wären als Erstes die durch die Viehzucht ausgestoßenen Treibhausgasemissionen. So hatte die Viehzucht im Jahr 2013 nach Berechnungen der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) einen Anteil von 14,5 Prozent an den globalen Treibhausgasemissionen, wobei allein die Hälfte davon auf die Produktion und Verarbeitung von Futtermitteln und weitere 40 Prozent davon auf die Emissionen der Tiere selbst zurückzuführen sind (Emissionen durch Fermentation im Verdauungstrakt der Tiere). Insgesamt wird vom Weltklimarat davon ausgegangen, dass der Anteil des Ernährungssektors am globalen Treibhausgasausstoß zwischen 21 und 37 Prozent ausmacht.
Das ist aber nicht das einzige Problem. Hinzu kommt, dass ein Großteil der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Viehzucht, also für Weiden und Äcker, genutzt werden – und zwar ganze 70 Prozent. Die stetige Ausweitung dieser Flächen führt zwangsläufig zu deutlichen Veränderungen bei der Landnutzung. Dies wiederum trägt zu steigenden Emissionen und dem Verlust der Artenvielfalt bei. Und als wäre das alles noch nicht genug, muss gesagt werden, dass weltweit rund 40 Prozent des Ackerlandes nur zur Futtermittelproduktion eingesetzt werden. Das allein ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Denn so landen über ein Drittel der Feldfrüchte nicht auf unserem Teller, sondern im Futtertrog der Tiere. Das sind jährlich eine Milliarde Tonnen Soja und Mais, welche natürlich erst mal durch die ganze Welt transportiert werden müssen. Zu den Top drei der Anbauländer zählen nämlich Brasilien, die USA und Argentinien. Und da der weltweite Bedarf nach Futtermitteln immer weiter steigt, müssen dementsprechend auch die Anbauflächen vergrößert werden. Damit müssen besonders in Brasilien und Argentinien Wald und Grasland weichen, um Platz für Sojafelder zu machen. Diese Felder müssen außerdem bewässert und gedüngt werden, womit wir beim nächsten Problem landen, dem Wasserverbrauch. Hier kommt es vor allem auf die Tierart an, wie viel Wasser pro Kilogramm verbraucht wird. Am schlechtesten schneidet Rindfleisch ab, mit rund 15.000 Litern Wasser. Am „besten“ liegt hingegen das Kilo Huhn, mit rund 4.300 Litern Wasser.
Neben den Auswirkungen für unsere Umwelt, gibt es beim Fleischkonsum auch direkte gesundheitliche Gefahren für die Menschen – Antibiotika. Sie helfen bei Erkrankungen, aber die Erreger in Menschen und Tieren können gegen sie resistent werden, eine tödliche Gefahr. Weltweit werden 73 Prozent der Antibiotika für Tiere genutzt – nicht ohne Folgen. Durch einen übermäßigen und routinierten Antibiotikaeinsatz im Tierstall haben sich Resistenzen gebildet, welche sich immer weiter ausbreiten. Dadurch, dass sich Bakterien fortlaufend anpassen, entwickeln sie Resistenzgene, welche sogar an andere Bakterien weitergegeben werden können. Besonders problematisch ist das bei Zoonosen zu beobachten – also Erregern, welche von Tieren auf den Menschen übertragbar sind. Daher können auch Resistenzen aus dem Tierreich auf uns übertragen werden. Die WHO warnt daher berechtigterweise, dass eine übermäßige Verwendung von Antibiotika bei Nutztieren die Wirksamkeit der Humanmedizin zunehmend bedroht. Letztlich landen die resistenten Krankheitserreger dann auf unserem Teller.
Glücklicherweise gibt es Lösungen für die oben beschriebenen Probleme. Eine davon sind Fleischersatzprodukte, welche zunehmend an Beliebtheit gewinnen. So wird in den kommenden Jahren weltweit eine jährliche Wachstumsrate von 20 bis 30 Prozent in diesem Bereich erwartet (siehe Abb. 1). Kein Wunder, denn die Fleischindustrie steht aufgrund der Klima- und Umweltauswirkungen und der Tierhaltung stark in der Kritik. Durch eine stetige Weiterentwicklung der Ersatzprodukte in Punkten wie Geschmack und Textur, können sich immer mehr Menschen mit diesen Alternativen anfreunden. Zugleich sind Ersatzprodukte auch deutlich umweltfreundlicher. Rein pflanzliche Produkte sind hier die beste Wahl. So entstehen im Vergleich zu Rindfleisch über 90 Prozent weniger Treibhausgase und zudem ist der Flächen- und Wasserverbrauch geringer. Einziges Manko: Fleischersatzprodukte sind oft stark verarbeitet und mit Zusatzstoffen versetzt, um den Fleischgeschmack möglichst gut zu imitieren.
Wenn jetzt Fleisch auf unserem Teller liegt, sollten wir uns zumindest bewusst sein, mit welchem Aufwand es produziert wurde. Zudem sollten uns auch die gesundheitlichen Aspekte die hinter der Fleischproduktion stehen zum Nachdenken anregen und dafür sorgen, dass wir unseren Fleischkonsum zumindest selbstkritisch reflektieren und auch reduzieren. Denn jeder kann mit einer Reduktion des eigenen Konsums von Fleischprodukten einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Eine Chance einen verträglicheren Konsum zu betreiben, bieten uns außerdem Fleischersatzprodukte, welche man in den eigenen Speiseplan integrieren kann. Schlussendlich können wir nur auf eine Welt mit einem verträglichen Fleischkonsum hoffen – ein sehr utopischer Gedanke – denn die Bevölkerung dieser Erde wächst immer weiter.
Quellen
Weiterführende Literatur:
• Hirschfelder, Gunther; Winterberg, Lars: Fleisch als Kulturgut: Traditionen und Dynamiken. In: Ernährung im Fokus 01 (2020), S. 28–33. Online verfügbar unter https://www.researchgate.net/profile/Gunther-Hirschfelder/publication/340429903_Fleisch_als_Kulturgut_Traditionen_und_Dynamiken_In_Ernahrung_im_Fokus_01_2020_S_28-33/links/60bf1a78a6fdcc22eae8d2e1/Fleisch-als-Kulturgut-Traditionen-und-Dynamiken-In-Ernaehrung-im-Fokus-01-2020-S-28-33.pdf, zuletzt geprüft am 09.06.2022
• Spiller, Achim; Busch, Gesa (2022): Wie Tiere zu Fleisch werden. In: Bundeszentrale für politische Bildung, 17.03.2022. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/fleisch-2021/344832/wie-tiere-zu-fleisch-werden/, zuletzt geprüft am 17.05.2022.
• Heinrich-Böll-Stiftung; Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland; Le Monde Diplomatique (Hg.) (2021): Fleischatlas 2021 - Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel. 1. Auflage, Januar 2021. Online verfügbar unter https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell_Fleischatlas2021_V01_kommentierbar.pdf, zuletzt geprüft am 17.05.2022.
• Rückert-John, Jana; Kröger, Melanie (Hg.) (2019): Fleisch. Vom Wohlstandssymbol zur Gefahr für die Zukunft. 1. Auflage. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG (Ernährung und Gesellschaft, 1). Online verfügbar unter https://www-nomos-elibrary-de.emedien.ub.uni-muenchen.de/10.5771/9783845284590.pdf?download_full_pdf=1, zuletzt geprüft am 18.07.2022.
Weiterführende Videos:
• Sollten wir weniger Fleisch essen? Das sagt die Wissenschaft | Quarks TabulaRasa - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=T9_DESp732U
• Sollten alle Menschen Veganer werden? - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=XS3z_PEkMMw
• Warum deine Leberwurst 1,09€ kostet - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=QTBg9la6RPE
•
Fleischersatz: Ein Hype oder das Essen der Zukunft? (Ganze Folge) | Quarks - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=Jdjoa0RMdj8
• Ist Fleisch WIRKLICH schlecht fürs Klima? - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=8eeYdcCql24
• Fleisch – Das leckerste Übel der Welt - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=y6f3dwxexZM
• Geheimsache Wurst - Was essen wir da? | Doku | NDR | 45 Min - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=1jAwNJIYJaI
• Rindfleisch - Genuss ohne Gewissensbisse? | The Green Garage | NDR Doku - YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=IZqsrv95nq0