Im September ist es so weit, zum ersten Mal seit drei Jahren findet die „Wiesn“ wieder statt. 17 Tage lang tummeln sich die Menschen auf der Theresienwiese, es werden literweise Bier ausgeschenkt und an den Essenständen süße Schmankerl verkauft. Der Geruch nach gebrannten Mandeln liegt in der Luft und man hört die Besucher im Zelt munter mitjodeln. Es bilden sich Schlangen an den Achterbahnen, da jeder den absoluten Spaßfaktor erleben will. Doch was passiert eigentlich hinter den Kulissen? Welche Auswirkungen hat die Wiesn-Zeit auf ihre Umwelt und Bewohner? Und handelt es sich hierbei vielleicht um Overtourism? Diesen Fragen wollen wir auf den Grund gehen.
Das Oktoberfest zählt jährlich rund 6 Millionen Besucher, das ist in etwa die Einwohnerzahl Hessens, und das innerhalb von nur 2 Wochen an genau einem Ort, der berühmten Theresienwiese. Jeder kennt es, die Zelte sind schon randvoll mit Wiesn-Madln und -Buam, die sich mit ihren Maß Bier durch die Gänge quetschen. Vor den Zelteingängen bilden sich Menschentrauben, die von den Türstehern aufgehalten werden und nicht mehr hereinkommen. Die Zelte sind schon um die Mittagszeit an ihrer Belastungsgrenze. Das Phänomen Overtourism hat eingesetzt.
Overtourism bedeutet hierbei, dass die Destination Oktoberfest physisch, ökologisch und sozial an ihre Belastungsgrenze gebracht wird. Beim Oktoberfest handelt es sich um einen zeitlich und räumlich konzentrierten Overtourism. Es ist schließlich auch ein Teil des touristischen Images von München und eng verbunden mit der Biergarten-Kultur.
Den Ansturm an Menschen zu bewältigen ist nicht ganz einfach, denn neben dem Platzmangel auf dem Gelände, wird auch der Weg zur Theresienwiese ein Kampf nach Bus, Bahn und Co. Der Overtourism hat auch auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) Auswirkungen. Zur Wiesn-Zeit müssen 6.000 zusätzliche Fahrten mit Bussen und der Bahn bewältigt werden. Hierfür müssen 500 Extraschichten im Fahrdienst getätigt werden. Dazu wird die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) auch von außerhalb unterstützt. Rund 30 weitere Mitarbeiter, die teils sogar aus Österreich und den Niederlanden anreisen, kommen nur für die Wiesn-Zeit. Und sogar die nach oben führenden Bänder der Rolltreppen werden von der MVG am U-Bahnhof Theresienwiese teilweise um 0,13 Meter pro Sekunde schneller geschaltet. Dadurch werden zu Stoßzeiten bis zu 12.500 Menschen pro Stunde Richtung Oktoberfest befördert. Die Bewohner Münchens müssen sich durch den Besucherandrang während dieser Zeit also auf Verspätungen und überfüllten ÖPNV einstellen.
Das ist so manchen Bewohnern zu viel. In einer Umfrage von Prof. Dr. Kagermeier und Frau Erdmenger wurden 171 Münchner zu ihrer Wahrnehmung, dem Störungsempfinden und der Vermeidung von spezifischen touristischen Phänomenen befragt. Im Ergebnis zeigte sich, dass sich über 50% der Befragten an Oktoberfestbesuchern stören und knapp 40% diese sogar meiden.
Eine radikale Art, um dem Ganzen aus dem Weg zu gehen, ist das Verreisen während dieser 17 Tage. Münchner fahren in den Urlaub und vermieten ihre Wohnung teuer an Wiesn-Gänger unter. Zum Unglück ihrer Nachbarn, denn die Untermieter sind teils alkoholisiert und nachts nicht gerade leise.
Aber das sind nicht die einzigen Probleme. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt spielen eine Rolle beim Overtourism. Die Besucher der Wiesn produzieren nebenbei nämlich auch noch haufenweise Müll. 1729 Tonnen Müll waren es allein auf dem Oktoberfest 2018. Das ist 3,8-mal so viel, wie ein einzelner Mensch durchschnittlich pro Jahr produziert. Massenweise Hendlknochen, kaputte Bierkrüge und andere Abfälle werden am Ende des Tages von einem Team der AWM entsorgt. Sie kommen in den frühen Morgenstunden, wenn die Wiesn-Besucher noch ihren Rausch ausschlafen und entsorgen teilweise auch Müll, der sicherlich nicht von der Wiesn stammt. Teppiche und sogar ein Kühlschrank wurden kurioserweise schon in den Abfallcontainern der Theresienwiese gefunden. Also liebe Bewohner, bitte bringt eure Küchen- und Haushaltsgeräte selbst zum Wertstoffhof und belastet die AWB Mitarbeiter nicht noch zusätzlich, schließlich ist es ihnen zu verdanken, dass ihr nicht im Wiesn-Müll versinkt und sich womöglich in euren Tonnen noch ein kaputter Bierkrug versteckt.
Doch ökologisch gesehen ist nicht nur die Vermüllung ein Teil der Folgen des Overtourism, sondern auch die Erwärmung. Das Wiesn-Gelände hat ein eigenes tropisch-schwüles Mikroklima. Hier ist es laut Messungen des Meteorologen Karsten Brandt bis zu zehn Grad wärmer im Vergleich zu anderen Orten in der Stadt. Auch die Luftfeuchtigkeit liegt ein Drittel höher. Die Wärme kommt vor allem durch die Menschenmassen. Ein Mensch erzeugt ca. 80 Watt Wärme. Das sind bei rund 353.000 Besuchern pro Tag an die 340.000 Kilowatt. Als Vergleich: So hoch ist laut KommEnergie der durchschnittliche Stromverbrauch von 106 2-Personen-Haushalten im Jahr.
Was können wir also tun, um die Auswirkungen des Overtourism einzudämmen und die Gemüter der Bewohner zu besänftigen? Natürlich könnte man stattdessen auf andere Volksfeste gehen, doch wer will schon das große Wiesn-Spektakel verpassen? Eine Lösung wäre ein limitierter Zugang, also dass nur eine bestimmte Anzahl an Menschen gleichzeitig auf dem Oktoberfest sein darf. Außerdem kann jeder Einzelne den Auswirkungen des Overtourism entgegenwirken. Denn wenn alle Wiesn-Gänger beispielsweise darauf achten, ihren Müll nicht im Gebüsch nebenan, sondern in einem Mülleimer zu entsorgen oder in den 17 Tagen Oktoberfest nicht jeden Tag dort zu verbringen, sondern auch die anderen Ecken des schönen Münchens zu erkunden, können diese Kleinigkeiten bereits helfen, die Destination zu entlasten. Wenn Jeder einen kleinen Beitrag leistet, lässt sich die Wiesn gleich viel besser genießen.
Und zuletzt noch eine Bitte an Alle: Behandelt die Menschen und Natur in eurer Umgebung mit Respekt, denn wie heißt es so schön: Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus!
Quellen
• https://www.br.de/nachrichten/wissen/wiesn-mikroklima-temperaturen,R2I5j7s
• https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Oktoberfest-2019-Essensreste-Altglas-Kehricht-Was-wird-aus-dem-Wiesn-Muell-id55540396.html
• https://www.muenchen.tv/oktoberfest-anreise-schnellere-rolltreppen-co-so-ist-die-mvg-zur-wiesn-gewappnet-235932/
• https://www.muenchen.de/veranstaltungen/oktoberfest.html
• https://www.kommenergie.de/
• https://www.prosieben.de/tv/galileo/videos/2017257-auf-der-wiesen-geht-s-heiss-her-darum-ist-es-10-grad-waermer-auf-dem-oktoberfest-clip
• Kagermeier, A., Erdmenger, E. (2019): Das Phänomen Overtourism: Erkundungen am Eisberg unterhalb der Wasseroberfläche. In: Reif, J., Eisenstein, B. (Hrsg.): Tourismus und Gesellschaft - Kontakte - Konflikte – Konzepte. Berlin, 97-110.