Eines heißen Hochsommerabends denke ich mir, ich lasse den langen Tag mit einem Spaziergang in den Englischen Garten ausklingen. Ich trete aus dem Haus, es ist noch sehr warm, Top und Shorts völlig ausreichend. Ein Jäckchen? Ach was, gar kein Gedanke daran. Im Englischen Garten ein paar Häuserblocks weiter allerdings: Puh, jetzt es ist aber arg frisch … Vielleicht wäre ein Jäckchen doch nicht schlecht! Auf der Karte kann man die Temperaturen eines Sommerabends in München erkennen: Das Stadtzentrum ist olivbraun gefärbt und damit der wärmste Bereich. Doch es ist durch eine grüne Linie mit gelben Flächen im nördlichen Bereich zweigeteilt – je grüner, desto kühler. Das sind die Isar und der Englische Garten. Aber wie kann es sein, dass es zwischen den Häusern noch so heiß ist, dass ich nicht einmal einen Gedanken an ein Jäckchen verschwende, während ich mir im Grün des Englischen Gartens wünsche, doch eines mitgenommen zu haben?
Unterschiede in der Hitzeproduktion und der Wärmekapazität führen dazu, dass die Temperaturen im bebauten Gebiet höher werden als in Gebieten, die von Vegetation geprägt sind. Das kann man innerhalb der Stadt zwischen Grünflächen und bebauten Flächen beobachten, aber auch in größerem Maßstab zwischen Stadt und Umland. In letzterem Fall heißt das Phänomen Urban Heat Island (UHI) oder auch Städtische Wärmeinsel. Bei der Entstehung dieses Effekts spielen die Aktivitäten der Menschen in der Stadt eine Rolle, die Abwärme produzieren, zum Beispiel wenn man Auto fährt oder Elektrogeräte nutzt. Andererseits stellen sich mehrere Fragen hinsichtlich der Gestaltung der Stadt: Wie ist die Geometrie der Stadt? Was liegt an der Oberfläche, welche Materialien wurden verwendet? Dabei geht es um vier wesentliche Faktoren, die beeinflussen, wie heiß es wird: Die Albedo, die Evapotranspiration, die Wärmekapazität und der Wind.
Die Albedo beschreibt, wie stark eine Oberfläche die Sonnenstrahlen reflektiert. Ein simples Alltagsbeispiel ist der Unterschied zwischen einem schwarzen und einem weißen Tisch: Der weiße Tisch reflektiert einen Großteil der Sonnenstrahlen und erhitzt sich daher kaum. Der schwarze hingegen reflektiert wenig, absorbiert stattdessen die Strahlung und erwärmt sich. Entsprechend sind im Sommer weiße Tische angenehmer als schwarze.
Die Evapotranspiration ist die Verdunstung von Wasser aus einer vegetationsbedeckten Fläche. Beim Verdunsten wird Energie – also Wärme – verbraucht, sodass Verdunstungskälte entsteht. An sich selbst spürt man diesen Effekt beim Schwitzen: Wenn der Körper sich erhitzt, fängt man an zu Schwitzen, die Verdunstung des Schweißes kühlt die Haut. Vegetation und Wasserkörper, wie zum Beispiel der Kleinhesseloher See, die Isar oder die Bäche im Englischen Garten, bieten Wasser zur Verdunstung, während bebautes Gebiet auf Grund der Versiegelung kaum Feuchtigkeit an Oberflächen zur Verfügung hat.
Die Frage, wie viel Energie ein Material für wie viel Erwärmung benötigt, beantwortet die Wärmekapazität. Etwas einfacher gedacht: Wie stark erwärmen sich verschiedene Materialen, wenn ihnen dieselbe Menge Energie hinzufügt wird? Praktisch kann man das zum Beispiel an einer Holzbank im Vergleich zu einer Metallbank spüren: Wenn beide Bänke in der Sonne stehen, heizt sich das Metall durch die Energie der Sonnenstrahlen so sehr auf, dass man sich nicht mehr setzen möchte, während das Holz noch eine angenehme Wärme hat. Städte speichern deutlich mehr Wärme als ihr Umland, da einige Baumaterialien eine große Wärmekapazität haben.
Der letzte Faktor ist der Wind: Die Sonne erwärmt nicht nur die Materialien, sondern auch die Luft. Strahlt die Sonne zum Beispiel in einem geschlossenen Raum, wird es sehr warm. Öffnet man dann Fenster und Türen, entsteht ein Durchzug, die warme Luft wird abtransportiert und mit kühlerer ersetzt. Je nach Bebauung kann auch in Städten die Luft zwischen den Häusern wie eingesperrt sein, sodass die Hitze zu wenig entweichen kann. Derzeit wird noch erforscht, wie sich die Form der Bebauung auf die Verbreitung kühlerer Luft aus Parks in die Umgebung auswirkt.
Fest steht aber, dass Parks wie der Englische Garten nicht nur selbst ein angenehm kühler Pool in der städtischen Hitze sind, sondern sich auch positiv auf die Temperatur in ihrer Umgebung auswirken – je größer der Park, desto effektiver. Neben Parks gibt es aber auch weitere Möglichkeiten, die positiven Eigenschaften von Pflanzen für ein angenehmeres Stadtklima zu nutzen. Man kann die Albedo mit stärker reflektierenden Materlialien senken – aber auch die Begrünung von zum Beispiel Dächern ist hilfreich, denn da werden mehrere Effekte kombiniert: Erstens spenden sie Schatten, zweitens haben sie eine geringere Wärmekapazität, drittens verdunsten sie Wasser. Auch Brunnen, Teiche und die Bewässerung von Straßen verstärken die Evapotranspiration – allerdings muss in allen Fällen entsprechend viel Wasser zur Verfügung stehen. Eine weitere Lösung können Wasser speichernde Materialien sein – dazu zählt auch Erde, auf denen wiederum die Pflanzen mit ihren zahlreichen Vorteilen wachsen. Gründe genug, um der Natur in der Stadt mehr Raum zu geben.
Quellen
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